VO Transdisziplinäre künstlerische Praxis
COMMUNITY OF ALIENS
Der Titel klingt paradox. Wie soll sich eine Gemeinschaft herstellen, die aus Unterschieden, aus einander Fremden besteht? Wie können politisch aufgezwungene Fremdheitserfahrungen (etwa durch Rassismus, Sexismus und Klassismus), spekulative Strategien des Fremd-Werdens (etwa in maschinenaffiner „Alien-Music“ oder im sogenannten Xenofeminismus) und die Selbstentfremdung des Subjekts (das schon immer nicht es selbst, sondern viele andere ist und vom Unbewussten bestimmt ist) mit der Idee des Gemeinschaftlichen oder gar des Solidarischen verbunden werden? Der Titel der Vorlesung spielt also auf ein irritierendes Moment an: Wir alle teilen eine Welt, obwohl wir radikal verschieden sind und nicht zwangsvereinheitlicht werden können und sollen.
Und doch soll und muss es heute darum gehen, Bezugspunkte von menschlichen und auch nicht-menschlichen Akteuren zu finden und zu vertiefen, ohne die unhintergehbaren, konflikthaften Antagonismen in der Gesellschaft zu verleugnen. Der vorgeschlagene Grungbegriff des Aliens schillert. Er meint nicht nur uns alle als Fremde für andere, sondern auch Wesen unbekannter Herkunft – Geister aus der Vergangenheit und Boten aus der Zukunft. Aber auch MigrantInnen ohne Papiere oder BürgerInnen, die schon lange gesellschaftlich „integriert“ sind, aber trotzdem von Alienness, von Entfremdung und Ungleichheitserfahrungen geprägt sind. Außerdem können mit Aliens auch postnatürliche Hybridwesen, Cyborgs, Roboter, KI´s, ich-bewusste Tiere, Plastik verdauende Bakterien, Viren, denkende Wälder oder Flüsse mit Rechtsansprüchen gemeint sein. Und zu guter Letzt lauert das Fremde und Unkontrollierbare, der Abgrund des Unbewussten, in uns selbst.
Der Fluchtpunkt einer Community of Aliens setzen nicht auf die Veränderung einer krisenhaften Gesellschaft als Ganzes, die ohnehin auf kein Ziel zu verpflichten ist. Eher spannt sich mit ihrer Hilfe innerhalb der fragmentierten Gesellschaft ein spekulativer Möglichkeitsraum des Sozialen auf, der diskriminierendes Othering in Form eines Miteinanders mit den nicht gleichen (und vielleicht nicht einmal allzu ähnlichen) Lebensformen zu überwinden trachtet. Die Vorlesung fragt daher nach den grundlegenden Möglichkeiten von Empathie und Verständnis, nach den Unterschieden der Fremdheitserfahrungen und deren sozialen und politischen Konsequenzen. Sie sucht nach alternativen Möglichkeiten eines Gemeinsamen im medialen und realen Raum.
Man könnte diesen Vorschlag zur Neuverhandlung der sozialen Ordnung auch im Atemzug mit der vieldiskutierten Demokratisierung der Demokratie nennen. Zugleich ist der Titel nahe am Selbstverständnis künstlerischer Szenen angesiedelt und bezieht sich zudem auf philosophische Fluchtrouten aus dem Knast der Gegenwart weit hinaus in die Sphäre der radikalen Anerkennung des Vielfältigen und Anderen im „Alienoscene“. Und nicht zuletzt ermutigt die Frage nach der Community of Aliens uns alle, das – ganz unterschiedlich erlebte, gebrochen genossene oder auch schlicht erlittene Fremd-Sein im eigenen Land, im eigenen Kopf, im eigenen Körper mit dem Fremd-Sein der anderen in Verbindung treten zu lassen.
1. Termin: Dienstag, 10.10.23 von 16.-18.00 Uhr
2. Termin: Dienstag, 24.10.23 von 16.-18.00 Uhr
3. Termin: Dienstag, 07.11.23 von 16.-18.00 Uhr
4. Termin: Dienstag, 21.11.23 von 16.-18.00 Uhr
5. Termin: Dienstag, 05.12.23 von 16.-18.00 Uhr via Zoom Meeting-ID: 617 22442847; Kenncode: 445585;
6. Termin: Dienstag, 12.12.23 von 16.-18.00 Uhr
7. Termin: Dienstag, 16.01.24 von 16.-18.00 Uhr
Bildrechte: Liquid Loft