ALL AT ONCE

where assemblage meets bricolage

Ontologien sind der letzte Schrei philosophischer Auseinandersetzungen im 21 Jhd. Sie alle versuchen gemeinverständliche Dichotomien von Subjekt und Objekt, von Natur und Kultur von Er und Sie, usw. aufzubrechen, um dem was theoretisch „real“ ist eine andere Wirklichkeit entgegenzusetzen.

Actor-Network Theory (ANT), New Materialism (NM), Object-Oriented Ontology (OOO), Multinatural Ontologies, spekulativer Realismus; Vielheiten, Emergenz, Lebendigkeit, Intraaktion;
– para – , off – und pata;

In Anbetracht des schrittweisen Verlustes unserer anthropogenen Zukunft suchen wir geradezu panisch nach Konzepten, die uns eine neue Form der Handlungsfähigkeit verleihen. Sie alle zielen darauf ab, die menschliche Position zu dezentrieren und objektivieren, um uns verständlich zu machen, dass „ein Subjekt zu sein nicht bedeutet, autonom vor einem objektiven Hintergrund zu handeln, sondern die Handlungsfähigkeit mit anderen Subjekten zu teilen, die ebenfalls ihre Autonomie verloren haben“. 1

Die Assemblage-Theorie von Manuel De Landa beispielsweise, die auf den Schriften von Gilles Deleuze aufbaut, versteht das Ganze als komplexes Gefüge heterogener Teile und behandelt dementsprechend Entitäten wie biologische Organismen, Arten und Ökosysteme, als Assemblagen. Die Teile dieser Assemblagen bilden kein nahtloses Ganzes, sondern eine Ganzheit, deren Eigenschaften aus Wechselwirkungen und Beziehungen zwischen Teilen resultieren. Ebenso lässt sich die Assemblage-Theorie auch auf soziale Entitäten anwenden und ermöglicht folglich die Trennung zwischen Natur und Kultur zu durchbrechen. Zentral dabei ist die Auffassung, dass die Synthese der Eigenschaften des Ganzen nicht auf seine Bestandteile reduzierbar ist. 2

Über die Rolle von materiellen, physischen Objekten und Artefakten als Bestandteil eines heterogenen Gefüges, sowie über die Unterschiede und Beziehungen zwischen dem Menschen und dem Nicht-Menschlichen finden sich auch Ansätze in der Akteur-Netzwerk-Theorie (kurz ANT) von Bruno Latour und Albena Yaneva. Entsprechend ihrer Theorie wird alles um uns herum als Netzwerk verstanden und ist miteinander und mit uns verwoben. Jeder komplexe Organismus als solcher ist nie nur einer und verändert sich im Laufe der Zeit dynamisch, in Abhängigkeit von Umwelt und anderen Faktoren. 3

In Anlehnung an Gilles Deleuze und Félix Guattari verwendet Jane Bennett wiederum den Begriff der Assemblages und definiert diese als „ad hoc groupings of diverse elements, of vibrant materials of all sorts“. 4 Assemblages sind also Versammlungen von Elementen, die aus verschiedenster lebendiger und dynamischer Materie bestehen. Bennett schreibt den Dingen „thing-power“ zu und versteht Objekte als lebendig, weil sie wirksam und in der Lage sind etwas zu bewegen. Laut Bennett werden Assemblagen nicht durch Hierarchien bestimmt. Kein Material oder Komponente verfügt über ausreichende Dominanz, um die Ansammlung zu bestimmen. Assemblagen fügen sich und brechen auseinander für eine ergebnisoffene Veränderung. Sie existieren nur für bestimmte Zeit, an einem bestimmten Ort und haben eine vitale Wirksamkeit. 4

Das Konzept der Assemblage wird offensichtlich im Kontext dieser Suche nach Handlungsfähigkeit angesichts einer unsicheren Zukunft häufig diskutiert. Teilweise irreführend und zu komplex erscheinen die philosophischen Ausführungen um als Handlungsanweisung für die Architektur zu funktionieren. Was sie alle miteinander verbindet ist einerseits das Prinzip der Heterogenität, die Reflexion der Umwelt und andererseits die Eigenschaft der Emergenz.

Für die Architektur praktikable Definitionen kommen aus der Kunst und der Soziologie. Bereits 1961 kuratierte William C. Seitz für das Museum of Modern Art in New York die Ausstellung „The Art of Assemblage“ und verortete damit den Begriff im Kontext der modernen Kunst. Dabei verfolgte Seitz das Prinzip, eine Sache ohne Verbindung nebeneinander zu stellen radikal und orientierte sich dabei an Roger Shattucks Idee des “juxtaposition“, die zwei Gestaltungsprinzipien beschreibt:
„eine Kunst der Juxtaposition, die heterogene Elemente verbindet und so ein erregendes und explosives Gefüge erzeugt, in dem Konflikt und Kontraste vorherrschen und verbindende Glieder schmerzhaft vermisst werden, und –
eine Kunst der Juxtaposition, die nicht den Gegensatz der Teile, sondern ihre nahe Identität betont und dabei eine klassische Einheit hervorbringt“.
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Dieses Verständnis der Assemblage, als Fügung von Vorhandenem, erinnert auch an den Begriff Bricolage (französisch: bricoler – herumbasteln, zusammenfummeln), den der Anthropologe Claude Lévi-Strauss 1962 einführte und damit eine Do-it-yourself Konstruktion aus Vorhandenem bzw. Ausrangiertem beschreibt. 6    

Verbinden wir die Assemblage als kompositorisch, artikuliertes, tektonisches Gestaltungsprinzip mit der Bricolage als materielle, ressourcenschonende, ja kompromittierende Umsetzungsstrategie könnte uns eine gleichermaßen künstlerische wie soziale und umweltbewusste Praxis der Architektur gelingen.

1 Bruno Latour: Agency at the Time of the Anthropocene, 2014
2 Manuel Delanda: Assemblage Theory, 2016
3 Akteur-Netzwerk-Theorie (kurz ANT) von Bruno Latour und Albena Yaneva
4 Jane Bennett: Vibrant Matter: A Political Ecology of Things, 2010
5 Vgl. Roger Shattuck, »The Mode of Juxtaposition
6 Claude Levi Strauss: Concept of Bricolage, in the Savage Mind, 1962

 

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